Gedanken zum künstlerischen Tun

2022

30 Jahre Kunst Schaffen

1992 – Mein erstes öffentliches Statement zu meiner künstlerischen Arbeit:

Ich male       

setze Flächen

grafische Spuren.

zerstöre oder lasse zu: Atmosphären

und Assoziationen.

Ich führe einen langen Dialog.                                        (1992)

 

In meinem Innen.

Mit meinem Außen.

Beharrlich.

Ergebnisoffen für das,

was ins Bild will

narrativ | figurativ | provokativ.

Aus meinem Da-Sein als Weib und Künstlerin.                (2022)

(So ergänzte ich in diesem Jahr – 30 Jahre später.)

 

Und so beginnt es:

Stift und Papier. Reicht oft. Kaffee daneben – bringt mit den Fingern getupft manchmal sacht Farbe ins Bild.

Zeichnungen, die „daily drawings“, bringen den Impuls: Jetzt in Groß! Fläche – Fette Farbe!

Schräg und schrill – statt fein und komplex. Monochrom oder MixedMedia.

Schichten oder „Minimalistisches“.

Gegen das Flache, Oberflächliche im Bild bilden sich Verkrustungen;

Verkrustungen, die dann jedoch wieder „aufbrechen“: das „Dahinter“|„Dazwischen“ ahnen lassen.

Tiefe herstellen oder Reduzieren ins Wesentliche.

Verstrickte Liniengeflechte fordern Beruhigung, Zusammenführung, Fläche.

Die Fläche wiederum will Linie, Akzent, Führung für die „Lesart“.

Ich male keine „schönen Bilder“.  Ich bilde nicht ab.

Ich mache „mein Ding“ – jenseits von Etikettierungen oder Labeln.

Ich beobachte mich selbst dabei, wie das „Umgebende“ einfließt, mich beschäftigt, gefiltert wird durch mein eigenes System (Wissen, Erfahrungen, Vorlieben, Fähigkeiten, Stimmungen etc.)

und als Spiegelung der inneren Auseinandersetzung „Bild“ wird – im Dialog mit den Zeichen, Linien, Flächen, Farben, Gestus auf Papier oder Leinwand.

Ich führe demnach einen langen „Dialog“ mit mir selbst. Und irgendwann ist Ruhe. Alles gesagt.

Für den Moment. Denn die bildgewordenen Gedanken und Prozesse sind immer Zwischenergebnisse oder Momentaufnahmen. Oft fordern die Bilder Veränderung, Weiterentwicklung sowie auch wir Individuen uns ändern in Stimmung oder Meinung und Persönlichkeit.

Und manche Werke sind einfach dauerhaft „stimmig“.

Das Thema im Hintergrund:

die Welt in Bewegung. Das Individuum mittendrin. Frauen und ihr Part dabei.

Als „Göttinnen“ oder „Underdogs“ – wunderbar, widerspenstig, weiblich. Kunst-Voll.

 
 

2021

Das Kernthema meiner aktuellen Auseinandersetzung, präsentiert u.a. bei ARTBOX Projects World 1.0:

„Schmerz der Frauen“

Die Grundthematik meiner künstlerischen Auseinandersetzung ist seit mehr als 20 Jahren der Mensch in all seinen Interaktionen und Beziehungsweisen. Der Fokus liegt dabei wiederkehrend auf dem Thema „Frauen“ und ihren Lebenswelten, ihrer Rolle und Stellung in der Gesellschaft.

Meine aktuelle künstlerischen Auseinandersetzung gilt der „Gewalt gegen Frauen“.

Jede dritte Frau auf der Welt ist mindestens einmal in ihrem Leben physischer, psychischer und/oder seelischer Gewalt ausgesetzt. Meine professionellen Erfahrungen als psychosoziale Beraterin mit Betroffenen am Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ der Deutschen Bundesregierung bilden hierzu eine unerschöpfliche Quelle.

Ins Bild kommt der Schmerz der Frauen und ihre vielfältigen Bewältigungsstrategien: Verharren, Versteinern. Verleugnen; im schlimmsten Fall sich „wegschalten im Kopf“ und dissoziieren zu „Vielen“ im eigenen Körper.

Meinen Erfahrungen mit dem Schmerz stehen die Erlebnisse des Aufstandes und der Kraft der Frauen ausgleichend gegenüber, die sich ihr selbstbestimmtes Leben zurückerobern – immer wieder.

2020

Künstlerisches Statement zur Bewerbung um den Luxembourg Art Prize 2020

Ich zeichne und male „Geschichtenbilder“.

Die Grundthematik meiner künstlerischen Auseinandersetzung ist – seit mehr als 20 Jahren – der Mensch in all seinen Zusammenhängen. Ausgehend von der menschlichen Figur als zeichnerischer Darstellungsgrundlage, die weitgehend abstrahiert und großflächig in Szene gesetzt wurde, entwickelten sich mehr und mehr die aktuellen, narrativen Zeichnungen und Leinwandbilder.

Der Mensch in all seinen „Beziehungs-Weisen“, seinen Morphologien und Metamorphosen, mit seinen Emotionen, Träumen, Fantasien und Dämonen sowie mit Humor und Leichtigkeit, bilden das „Grundrauschen“ und den Antrieb für meine Gestaltungen.

Ich habe viele Jahre im psychosozialen und therapeutischen Bereich gearbeitet, sodass mir der Mensch und das Menschsein in all seiner Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität, mit all seinen Wesensarten, Abarten, Transformationen und Verwandlungen sehr nahe und immer gegenwärtig sind.

Nichts ist wie es auf den ersten Blick erscheint.

Bei längerer Betrachtung oder wiederholtem Hinschauen, scheinen sich die Gestaltungen und die Gestalten im Bild zu verändern durch visuelles Kippen des Blicks. Immer andere Figuren, Gesichter und Gruppen, die den Bildraum bevölkern, sind zu entdecken. In der Bildtiefe tun sich mehrere Ebenen und verschiedene Schichten auf. Der Betrachter hat die Möglichkeit, von einem ersten „an-Blick-en“ in andere Sichtweisen zu wechseln.  Er ist eingeladen, in die Bilder eintauchen und sich einzulesen, den Blick schweifen zu lassen durch die verschiedenen Bildebenen. Die dort auftauchenden unterschiedlichen Gesichter und Figuren mit ihren Bewegungen „hinein und hindurch“, bewirken im Kopf des Betrachters vielfältige Assoziationen. Möglicherweise entwickelt sich eine eigene individuelle Geschichte während der Betrachtung, aufgrund des unterschiedlichen Erfahrungshintergrunds. An verschiedenen Tagen „erzählen“ meine Geschichten-Bilder unter Umständen verschiedene Versionen der scheinbar gleichen Geschichte – je nach Stimmung oder Ausgangsblickpunkt des Gegenübers.

Ich selbst erlebe diese Vielschichtigkeit und Multidimensionalität bereits während des Arbeitens. Indem ich in den anfänglich intuitiven Strichen alsbald Figuren und Räume entdecke, „ahne“ ich schließlich durch die Verdichtungen hindurch Neues, und beobachte gespannt, was sich weiter formen wird – ähnlich wie in der Dunkelkammer eines Fotografen sich im Entwicklerbad die Bilder langsam zeigen.

Gesichter und Körper, Wesen und Wesenheiten zeigen sich und ihnen wird Raum gegeben, gegebenenfalls Farbe verliehen. Es sammeln sich mitunter Gruppen von Figuren, neben-, in- und übereinander, durcheinander und scheinbar durch verschiedene Ebenen steigend. Sie stehen in Beziehung, haben Kontakt oder stehen allein, nebendran, sprengen unter Umständen den Bildrahmen. Ein sehr intensiver Zeichen-Dialog, Schicht auf Schicht auf Schicht – entspinnt sich.

Eine Zeichnung ist „fertig“, wenn diese Figuren und die Räume, in denen sie stehen oder agieren, ruhig werden, kein Aktivitäts- oder Veränderungs-Impuls mehr von ihnen ausgeht, die Geschichte sozusagen einen Endpunkt findet.

Manche Zeichnungen kommen zeitweise einfach leicht und humorig daher.  Oder nicht?

Auch hier scheint nichts so zu sein, wie man es zuerst sieht. Bei genauerer Betrachtung der zarten, schwebenden oder sich bewegenden Einzelgestalten kommt vielleicht zu dem anfänglich auftauchenden Schmunzeln ein Stirnrunzeln. Oder umgekehrt.

Während des Arbeitens entstehen meistens eine ganze Reihe von Bildern, bei deren Betrachtung mir klar wird, welches Thema gerade im Hintergrund „virulent“ ist und mich umtreibt. Und welche Verbindungen zur mich umgebenden und beeinflussenden sozialen, gesellschaftlichen und politischen Außenwelt gegebenenfalls bestehen.

Ich betrachte nach wie vor aufmerksam alles, was allzu selbstverständlich und glatt auf Papier und Leinwand fließt. Und manchmal lasse ich es genau so zu, mit Freude an der Leichtigkeit.

Die hier eingereichten Arbeiten sind in den letzten acht Monaten entstanden. Neben Zeichnungen arbeite ich auch auf Leinwand und mit verschiedensten Materialien, experimentiere und erforsche – auch spielerisch – die künstlerischen Optionen. Die Leichtigkeit der Zeichnungen und des Zeichnens auf die Leinwand zu übertragen – großformatig – war ebenfalls in den letzten Monaten eine selbstgewählte Herausforderung. So sind die hier gezeigten Zeichnungen „pars pro toto“ für ein reichhaltiges Repertoire an Werken.

Bonn, den 23.8.2020

1996

Kurzstatement zur Ausstellung in der Brotfabrik Bonn

Intention der künstlerischen Auseinandersetzung ist nicht das Abbilden der menschlichen Figur, sondern diese wird zur Darstellungsgrundlage, ihre zeichnerische und malerische Interpretation geschieht in den verschiedensten Weisen und Abstraktionsformen bis hin zur absolut ungegenständlichen Umformung. So erscheinen die gefundenen Formen entweder als starre kantige Formationen in größeren Raum- und Sinnzusammenhängen oder sie entwickeln sich zu scheinbar flüchtigen Zeichen mit z.T. humoristischem Flair.

In immer neuen veränderten, ineinander geschachtelten Inszenierungen bewegen sich die „Körper“ oder „Körperfragmente“ auf die Wirklichkeit zu oder von ihr weg, fast wie in unterschiedlichen Bewusstseinsebenen.

Es entstehen sowohl Zeichnungen mit Tusche, Ölkreiden und Graphit in kleiner Formaten als auch großformatige Papier- und Leinwandarbeiten mit Acrylfarben z.T. mit Materialcollagen.

1995

Gedanken und Diskussionen mit Künstlerkolleg:innen führte zu den folgenden Ausführungen

„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, aber man muss es vorwärts leben.“ (Sören Kierkegaard)

Ein Statement zur eigenen Arbeit ist auch ein rückwärts gewandter Versuch, etwas Entstandenes oder sich Entwickelndes zu verstehen. Es dreht sich immer um die Frage, warum male ich, warum male ich so – aber auch anders.

Es gibt kein zu verallgemeinerndes Muster in den Arbeiten, sie gehen in die verschiedensten Richtungen, und alle haben gleichberechtigte Bedeutung, Zeichnungen – Leinwandbilder – Materialbilder.

Ich male, weil ich malen will und muss, weil ich es gerne tue, es mich erfüllt und zufrieden macht. Während des Malens fühle ich mich lebendig, spüre Energieströme in mir, aus mir heraus- und zu mir zurückfließen, es ist sinnliches Tun.

Es existiert ein Drang in mir zu malen, oft ohne zu wissen, was ich malen soll oder werde. Es ist immer ein Abenteuer, ein immer wieder neuer Aufbruch, ausgehend von der weißen Leinwand oder einem leeren Papier hin zu etwas Neuem, Unbekanntem und Unerwartetem. Es ist die Suche auf Antworten nach unbekannten Fragen. Weniger eine Vorstellung, Idee, ein Konzept als eher die Dinge, die ich sehe, wahrnehmen, die mich bewegen und berühren, Erlebnisse, Empfindungen, also eine Verbindung von Gedanken und Gefühlen setzen den Prozess in Gang. Ich nähere mich der zu bearbeitenden Fläche und schaffe mir dort eine Spur, spontan, impulsiv, auch dem Bauch heraus, gestisch, unkontrolliert, allenfalls gesteuert durch die Wahl der Farbe oder des Werkzeugs.

Diese Objektivierung eines momentanen Impulses, einer aktuellen Befindlichkeit hinterlässt ein Zeichen, welches – von mir verselbständigt – mich nun wieder auffordert zu reagieren, zur Weiterentwicklung, Zerstörung, Veränderung. Der Prozess ist in Gang gesetzt, auf Aktion folgt Reaktion und Interaktion: Ich führe einen langen Dialog mit mir selbst über das Medium Zeichnung/Malerei. Es beinhaltet eine Zwangsläufigkeit, die nicht erklärbar ist. Versunkenheit und Vertieftsein. Einem Rausch ähnlich ist. Es ist ein Eintauchen, Abtauchen in eine ganz subjektive eigene Wirklichkeit. Es ist ein um sich selbst kreisendes Ringen um ein Ergebnis, ein immer neues Bild, ein Annähern an ein Ziel und ein sich wieder davon entfernen, bis es schließlich erkannt oder ganz verloren, zerstört ist.

Während dieses Prozesses entstehen immer eine ganze Reihe von Bildern, ganz Zyklen, bei deren Betrachtung mir oft erst bewusstwird, was mich die ganze Zeit geleitet und beschäftigt hat, was in mir gearbeitet und nach außen gedrängt hat. Und es eröffnen sich Verbindungen von zunächst völlig subjektiv und intim erscheinendem Tun zur mich umgebenden, mich bestimmenden und beeinflussenden sozialen, gesellschaftlichen und politischen Außenwelt.

Diese Erkenntnis, die oft jedoch schon während des Malprozesses auftaucht, veranlasst mich, die zugrundeliegenden Erlebnisse, Erfahrungen, Gedanken dann bewusst aufzugreifen und gedanklich wie gestalterisch auszuarbeiten.

Es ist eine Wechselwirkung, natürlich und selbstverständlich, für die kein kunsthistorischer, philosophischer, sozialkritischer oder politischer Überbau bemüht werden muss. Ich arbeite in dem Bewusstsein gesellschaftlich eingebunden und verantwortlich zu sein, kontinuierlich, stetig auf meinem eigenen Weg, beobachte mich selbst, stelle mich immer wieder in Frage, suche beharrlich nach neuen Wegen, neuem Ausdruck, Widersprüchen, Irritationen, betrachte argwöhnisch alles, was allzu selbstverständlich und glatt auf Papier und Leinwand fließt. Offenheit und Aufmerksamkeit für den Malprozess und seine Entwicklung sind gleichzeitig seine Voraussetzung.

Alles ist ständig in Bewegung – Bewegung ist Leben. Malen bedeutet, mich lebendig zu fühlen, alles ist ständig im Fluss, mit kleinen „Haltebuchten“, ruhigen Inseln zum Innehalten und Betrachten der Zwischenergebnisse, den für den Augenblick fertigen Bildern.

Ich bin ständig auf der Suche nach neuen Anregungen, Aufforderungen, ein Gedanke, ein Text, etwas Gesehenes oder Gefühltes, Erfahrungen der Sprödigkeit eines Materials oder der Unzugänglichkeit einer Farbe für mich. Ich suche darum auch immer wieder die Auseinandersetzung mit anderen Kunstschaffenden, die dadurch mögliche Relativierung oder Ergänzung, Möglichkeiten der Bereicherung durch Beteiligung an gemeinsamen Projekten.

Nachdem ich obiges schrieb, fand ich ganz unabhängig davon Emil Schumacher´s  Text in dem Buch „Die Gouachen der Achtziger Jahre“ S. 31:

„Anfangs ist da die Fläche der Leinwand, auch des Papiers, weiß und leer. Noch ist keine Form. Wie beginnen, wie sich der Herausforderung, die in ihr liegt, stellen? Das Drama der ersten Linie steht am Beginn jedes Entstehungsprozesses. Ich tue irgendetwas, und sei es nur eine Verschmutzung der Fläche, um mich zu provozieren, etwa in völliger Freiheit getan zu haben, was mich zum nächsten Schritt auffordert. Ich setze eine Linie, und diese Linie geht dann beispielsweise durch einen Farbflecken, den ich vorher gesetzt habe. Und jetzt beobachte ich; aber es ist nicht so, dass ich diesen Vorgangrein intellektuell beobachte, dass ich genau wüsste, was nachfolgen muss. Vielmehr muss ich mich einfach führen lassen durch das, was mich treibt, was mich zwingt, etwas zu tun. Es entsteht ein Wechselsiel zwischen schon Vorhandenem und Neuem, und manchmal bildet sich dann daraus etwas, das ich zu einem gewissen Zeitpunkt in den Griff bekomme. Dann weiß ich auf einmal, wohin meine Arbeit tendiert, ich erkenne mein Thema.“ 

Seelenverwandtschaft – unbekannterweise??

1998

Loreley - Blind Date

1998 unternahm das Künstlerinnen-Netzwerk Erftkreis/Köln einen Ausstellungs-Austauch mit Künstler:innen aus South Carolina. Als Thema wählten wir die “Loreley” als eine bekannte, mythische Frauengestalt des Rheinlandes. Dazu setzten wir den Untertitel: “Blind Date”, da die “Loreley”  den amerikanischen Kolleg:innen nicht bekannt war. Wir unternahmen also ein “blind Date” mit unserer Ausstellung, die in South Carolina in verschiedenen Städten gezeigt wurde.

Meine eigene künsterlischen Auseinandersetzung mit dem Thema beschrieb ich wie alle Teilnehmerinnen für die amerikanischen Kolleg:innen in einem Statement, das mit auf die Reise ging.

„Loreley – Blind Date“  –  USA 1998

Erläuterungen des künstlerischen Herangehens und der begleitenden Gedanken

Wenn man sich mit der „Loreley“ beschäftigt – ob als Volkssage, Ballade, Lied Gedicht oder lediglich Ortsangabe – sieht man sich mit einer vielschichtigen, lyrischen oder mythischen Figur konfrontiert, die in verschiedensten Polaritäten oder Ambivalenzen zu beschreiben ist:

Sie kann betrachtet werden zwischen Mythos und Kitsch, Verführung und Verführbarkeit, Verlockung und Verderben, Lust und Moral, Macht und Unterwerfung, Ohnmacht und Bemächtigung. Man kann sich ihr nähern aus der Perspektive von Mann oder Frau, aus psychologischer oder sozialkritischer Sicht.

Bei der „Loreley“ handelt es sich um Männerfantasien – die bekanntesten Autoren, die sie „besingen oder beschreiben, sind Männer (Clemens von Brentano, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Erich Kästner und Friederich Silcher. Ausnahme, auf die man beim Recherchieren stößt ist Silvia Plath).

In diesen Männerfantasien existiert die Frau – „Loreley“ – entweder als Heilige oder als Hure. Als anbetungs- oder verehrungswürdige Frau oder dämonische Zauberin. Diese Zuschreibungen haben unter anderem den Zweck, die machtvollen Kräfte und Fähigkeiten von Frauen zu bannen, zu reduzieren oder nutzbar zu machen im Sinne der – männlich dominierten – Gesellschaft. Sich der Macht der Frauen zu bemächtigen, ihre Schöpferkraft, die den Mann von ihr abhängig sein lässt, zu lenken und zu bestimmen, ist das Ziel der Rollenzuschreibungen, der Rollendetermination durch den Mann. Beide, Mann und Frau, befinden sich zugleich im Spannungsfeld zwischen Macht und Ohnmacht. Um die eigene Ohnmacht nicht zu spüren oder zu reduzieren, wird versucht, sich des anderen zu „bemächtigen“, ihn der eigenen Macht zu unterwerfen.

Die „Loreley“ als Frau zwischen den stereotypen simplifizierten Rollenzuschreibungen einerseits, den widersprüchlichen gesellschaftlich/männlichen Ansprüchen andererseits, die Frau im Zwiespalt zwischen ihren machtvollen, schöpferischen Möglichkeiten und dem gleichzeitig darin Gefangensein, steht im Mittelpunkt meiner Arbeit. Diese beiden Seiten des weiblichen Daseins, die schöpferischen (und vernichtende) Kraft, die gesellschaftliche Determination, wie diese Kräfte und Fähigkeiten einzusetzen und zu leben sind, sind Inhalt und gleichzeitig auch Bedingung meiner künstlerischen Auseinandersetzung.

Die Balance halten zwischen Annahme bestimmter gesellschaftlichen Rollen mit Zuschreibungen und Festlegungen und gleichzeitiger Entwicklung und Aufrechterhalten des ganz Eigenen, das Gleichgewicht herstellen zwischen den Möglichkeiten der weiblichen Kräfte und der gleichzeitig damit einhergehenden Einengung und Unfreiheit sind die Gedanken hinter dem malerischen Prozess.

Die fortdauernde Auseinandersetzung mit der weiblichen Existenz, die vielen kleinen Nuancen und Gewichtungen in weiblichen Beziehungen zur Gesellschaft, zu Partnern – Männer, Frauen, Kindern – und zu sich selbst, die Last sowie die Lust, Leichtigkeit und Freude sollen durch meine Bilder fühlbar und erlebbar werden.

Ausgangspunkt des malerischen Prozesses bildeten die schnell assoziierten Klischees, die bei der Benennung der „Loreley“ auftauchen: Haare, (Symbol des weiblichen Sexappeals), „Kamm“, „betörende Stimme“, „Nacktheit“, „Verführung“ und „Verderben“ d.h. Untergang (der Schiffer in der Sage) in den Fluten des Rheins. Von diesen klischeehaften Basiselementen habe ich die Bilder zu „Loreley“ entwickelt.

 

1992

Kurzstatement

„Ich male

Setze Flächen

Graphische Spuren

Zerstöre oder

Lasse zu: Atmosphären

Und Assoziationen

Ich führe einen

langen Dialog.“